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Gewalt

Gewalt hat viele Gesichter. Oft denken wir an körperliche Gewalt wie Schläge oder Tritte. Aber auch psychische Gewalt kann sehr verletzend sein und schwere gesundheitliche Folgen haben. Dazu gehören z.B. Drohungen und Angstmachen, Beschimpfungen und Beleidigungen, anzügliche Blicke und Bemerkungen, Lächerlichmachen, Erzeugung von Schuldgefühlen oder das Nichtanerkennen der geschlechtlichen Identität. Solche Taten können auch im Internet stattfinden. In Partnerschaften wird Gewalt häufig durch Kontrolle ausgeübt.

Wer Gewalt erfahren hat, hat eine Grenzverletzung erlebt. Wir nehmen jede Gewalterfahrung ernst.
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Das Medienprojekt „Deutschland 3000" hat dazu ein tolles Video mit prominenter Unterstützung gemacht.

Was bedeutet Gewalt?

Gewalt
Gewalt ist niemals akzeptabel. Die Verantwortung liegt bei der gewaltausübenden Person. Potenziell ist all das Gewalt, was dich in deiner Identität als LGBTIQ*-Person schlecht fühlen lässt. Wenn du die Person bist, die Gewalt ausübt, übernimm die Verantwortung und hole dir Hilfe!

Gewalt kann körperlich sein, z.B. Schlagen, Schubsen, Festhalten oder Einsperren. Gewalt kann ebenso auf der psychischen Ebene ausgeübt werden. Dazu gehören Bedrohen und Erpressen (z.B. mit einem Zwangsouting, das Sorgerecht in Frage stellen, oder den HIV-Status mitzuteilen). Dazu gehört auch verbale Gewalt (z.B. Beleidigung, Herabwürdigung, Kommentare, die den Selbstwert mindern, ständiges Kritisieren, Manipulieren). Systematische Formen von psychischer Gewalt sind Kontrollieren (z.B. das Handy des Partners*/der Partnerin* kontrollieren, ständiges Nachfragen "wo warst du?", soziale Kontakte einschränken), Stalking/Nachstellen (z.B. durch unerwünschtes Kontaktaufnehmen, ständige Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, Emails zu allen Tages- und Nachtzeiten, unerwünschte Liebesbriefe und Geschenke, Verfolgen und Auflauern zu Hause oder am Arbeitsplatz sowie das Ausfragen des Bekanntenkreises) oder Mobbing (z.B. wiederholte Belästigungen, Schikanierungen, Diskriminierungen, Herabwürdigungen, Beleidigungen, Vorenthalten von Informationen, Isolation etc.) am Arbeitsplatz oder in der Schule. Es gibt auch sehr subtile Formen von Gewalt, wie etwa das Ausnutzen von Abhängigkeiten (z.B. in binationalen Partnerschaften den begrenzten Aufenthaltsstatus des*der Partner*in oder finanzielle Abhängigkeit als Druckmittel nutzen). Auch Sachbeschädigung ist eine Form von Gewalt.

Sexuelle Gewalt/sexualisierte Gewalt
Sexuelle Gewalt kann sowohl körperlich als auch psychisch angewendet werden, z.B. anzügliche Witze, das Überreden zu ungewünschten Sexpraktiken, die Verweigerung von Safer Sex, ungewollte sexualisierte Berührungen bis hin zur Androhung und der tatsächlichen Vergewaltigung.

Häusliche Gewalt
Gewalt kann in jeder Paarbeziehung entstehen. Dafür hat sich der Begriff „Häusliche Gewalt" etabliert. Formen sind zum Beispiel das Kontrollieren des Handys oder des Freizeitverhaltens durch Spionieren, Ausfragen und Kontaktverbote, Demütigen, Abwerten, Lächerlichmachen, Bloßstellen, Beleidigen, Erpressen und Bedrohen, z.B. mit dem Androhen von übler Nachrede, dem Zwangsouting oder dem Entzug von Elternrechten. Häusliche Gewalt beginnt meist mit solch psychischen Formen und kann in körperliche Gewalt wie Schubsen, Schläge, Tritte etc. und sexualisierte Gewalt eskalieren. Auch nach Beendigung einer Beziehung kann Gewalt zum Thema werden oder Thema bleiben. Mit Stalking wird Gewalt beschrieben, wenn eine*e Partner*in die Trennung nicht akzeptiert und durch systematisches Verfolgung, Nachstellen, wiederholte unerwünschte Kontaktaufnahme etc. psychische Gewalt ausübt.

Szenarien

Fall 1

Ein Paar aus der LGBTIQ*-Community geht die Straße entlang und wird aggressiv angegangen.
Du gehst mit deine*r Partner*in händchenhaltend auf der Straße eines Wohngebiets. Eine Gruppe von Leuten sieht euch und wird sofort aggressiv: Während sie sich euch nähern, pöbeln sie euch an. Ihr ahnt nichts Gutes und dreht euch um, da tippt dir schon jemand auf die Schulter.
  • Versucht euch deeskalierend zu verhalten – auch wenn ihr im Recht seid und die Situation unerträglich ist. Es geht darum unbeschadet aus der Situation zu kommen.  
  • Werdet den Aggressor*innen gegenüber nicht selbst aggressiv: droht nicht, beleidigt nicht.  
  • Siezt die Aggressor*innen.
  • Bleibt ruhig: Macht keine schnellen Bewegungen, die die Aggressor*innen zu Reflexen bringen könnten.
  • Vermeidet jeden Körperkontakt. 
  • Wenn ihr eine körperliche Attacke fürchtet, hebt die Arme mit den Händen nach vorne zur Abwehr vor eure Körper.
  • Teilt klar, deutlich und ruhig mit, dass ihr nicht belästigt werden wollt: "Gehen Sie weg!", "Lassen Sie uns in Ruhe!".
  • Unterwerft euch nicht. Fleht nicht um Gnade. 
  • Stellt Augenkontakt zu den Aggressor*innen her, bleibt im Kontakt, versucht zu kommunizieren.  
  • Geht in die Richtung von anderen Menschen oder in das nächste offene Gebäude (Supermarkt, Bank, Restaurant).
  • Sprecht mögliche Passant*innen direkt an und bittet um Hilfe: “Sie mit der roten Jacke, bitte kommen Sie her!”. Bittet Zeug*innen um ihre Telefonnummer. 
  • Wenn die Aggressor*innen eine Waffe haben: Versucht so schnell wie möglich wegzukommen. 

Fall 2

Eine trans* Person, die non-binary gelesen wird, geht einkaufen.
Heute steht ein Einkauf an und du machst dich auf dem Weg zum Supermarkt. Dein Outing ist noch nicht lange her und in letzter Zeit wurdest du oft angestarrt. Du hast auch schon viele blöde Sprüche von Unbekannten kassiert. Diesen Weg zum Einkaufen würdest du dir am liebsten sparen, aber der Kühlschrank ist fast leer. Im Supermarkt stehst du am Regal, da bemerkst du den Typen neben dir, der dich schon ganz feindselig ansieht. Als er an dir vorbei geht, beleidigt er dich mit halblauter Stimme total unter der Gürtellinie.
  • Werde dem Aggressor* gegenüber nicht selbst aggressiv: Drohe nicht, beleidige nicht.  
  • Vermeide jeden Körperkontakt. 
  • Sieze den Agressor.
  • Sprich mögliche andere Kund*innen direkt an und bitte um Hilfe: “Sie mit der roten Jacke, bitte kommen sie her!”. Bitte Zeug*innen um ihre Telefonnummer. 
  • Teile klar, deutlich und ruhig mit, dass du nicht belästigt werden willst: "Lassen Sie mich in Ruhe!"
  • Mach auf deine Lage aufmerksam, Täter*innen wollen keine Aufmerksamkeit: "Können Sie das noch mal lauter sagen, so dass es alle hören können?".

Fall 3

Auch bei Paaren kommt es zu Gewalt. Und das kann ganz subtil passieren.
Irgendwie hat sich eure Beziehung in letzter Zeit geändert. Du weißt nicht mehr genau, wann es angefangen hat. Aber seit ein paar Wochen will dein*e Partner*in alle Messages lesen, die du auf dein Handy bekommen hast. Das nervt total. Du willst, dass das wieder aufhört und immer wieder streitet ihr euch deswegen. Eifersucht kann eben richtig stressig werden. Dein*e Partner*in schlägt dir vor, diese neue App auf dem Smartphone zu installieren. Nun müsstest du nur noch versprechen, rund um die Uhr online zu sein. Dann wäre dein*e Partner*in beruhigt.
  • Hebe alle Beweise auf! Lösche keine Fotos oder Videos, mache Screenshots und archiviere alles. 
  • Teile klar, deutlich und ruhig mit, dass du dich nicht kontrollieren lassen willst, auch wenn dein*e Partner*in dann sauer wird.

Tipps

Was tun, nachdem ich Gewalt erlebt habe?

Gib dir die Erlaubnis über belastende Situationen mit Vertrauenspersonen zu sprechen
Fertige ein Gedächtnisprotokoll an. Notiere alle Details, an die du dich erinnern kannst: Datum, Zeit, wer war beteiligt? Wer hat was gesagt? Wie hast du dich gefühlt? etc.
Mache, wenn du das möchtest, eine Anzeige und stelle einen Strafantrag bei der Polizei. Lass dir eine Kopie der Anzeige mitgeben.
Hebe alle Beweise auf! Lösche keine Fotos oder Videos, archiviere alles.
Lasse mögliche Verletzungen ärztlich dokumentieren. Wenn du nicht zum Arzt gehen willst, mache selbst Fotos von den Verletzungen.
Dokumentiere eventuell entstandene Sachschäden mit Foto und detaillierter Beschreibung.
Sprich Menschen an, die den Vorfall ggf. beobachtet haben und lass dir die Telefonnummer geben.

Wie kann ich Gewalt vorbeugen?

Wenn du dich unsicher fühlst: bereite dich auf schwierige Situationen vor und werde dir klar, welche Risiken du bereit bist einzugehen.
Erzähle Vertrauenspersonen, wohin du gehst, wie du dich fortbewegst und mit wem du unterwegs bist.
Du kannst an einem Selbstverteidigungskurs teilnehmen.
Du bist alleine auf dem Heimweg und hast kein gutes Gefühl? Telefoniere mit einer Vertrauensperson oder rufe das Heimwegtelefon an. https://heimwegtelefon.net, 030/12074182 (deutschlandweit) Sonntag – Donnerstag: 18-00 Uhr, Freitag & Samstag 18-03 Uhr.

Was kann ich als Zeug*in von Gewalt tun?

Bringe dich nicht selbst in Gefahr. Greife nur dann ein, wenn du dir sicher bist, dass du die Situation unter Kontrolle hast.
Spricht die Person direkt an, die gerade in Gefahr ist ("Kann ich Ihnen helfen?" "Kennen Sie diese Person?"). Denn für viele ist nicht die Bedrohung das Schlimmste, sondern das Gefühl, wenn sie ganz auf sich alleine gestellt sind. Auch mentale Unterstützung ist goldwert. Deshalb ist es im Zweifelsfall immer besser etwas zu tun als nichts zu tun.
In Deutschland sind die Erfolgsaussichten nach einer Anzeige/ Strafantrag für Geschädigte deutlich besser, wenn sie Zeug*innen für den Vorfall haben. Deshalb ist es für die geschädigte Person sehr hilfreich, wenn du dich als Zeug*in anbietest.
Viele Im Zweifelsfall ist es ist immer besser etwas zu tun als nichts zu tun.
Rufe im Zweifelsfall die 110. Die 110 ist immer die richtige Nummer, dir selbst kann dadurch kein Nachteil entstehen. Sollte sich die Situation klären, bevor die Polizei eintrifft, rufe einfach nochmal an und gib die Information durch.
Je mehr Leute die geschädigte Person unterstützen, desto mehr könnt ihr gegen die Aggressor*innen ausrichten. Sprich deshalb mögliche Passant*innen direkt an und bitte um Hilfe: “Sie mit der roten Jacke, bitte kommen Sie...!"
In Deutschland dauern Verfahren und Prozesse oft viele Monate. Dann können scheinbar unbedeutende Details bereits vergessen sein. Deshalb ist es wichtig ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen: Was habe ich beobachtet? Wer war beteiligt? Was konnte ich hören? Wann und wo war das?
Gewalt zu beobachten kann belastend sein. Erlaube dir Unterstützung anzunehmen, auch wenn du nur indirekt betroffen warst.
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